Frosch, Wasser & Co
www.laubfrosch-hannover.com

Header-Bild Laubfrosch © U. Manzke

(Wieder-)Ansiedlungen, Bestandsstärkungen, Spiegelpopulationen

Von Uwe Manzke

Zum Erhalt bedrohter Arten sind neben den unmittelbaren Biotop-Management-Maßnahmen auch Wiederansiedlungen, Bestandsstärkungen durch möglichst verlustfreie Aufzucht von Larven/Jungtieren in Menschenobhut mit nachfolgender Freisetzung am Entnahmeort sowie die Etablierung von "Spiegelpopulationen" abzuwägen.

In den letzten Jahren ist auch die Untersuchung der genetischen Vielfalt der betroffenen Arten und Populationen immer mehr in den Focus der Wissenschaft und des Artenschutzes gerückt (genetische Vielfalt gemessen an z.B. der Anzahl der Allele einer bestimmten/begrenzten Anzahl von Mikrosatelliten, aber nicht an den tatsächlichen genetischen Eigenschaften und/oder weiteren wichtigen genetischen Aspekten). Leider wird unter genetischer Vielfalt zumeist die "genetische Vielfalt eines Individuums" und nicht die genetische Vielfalt in ihrer Gänze in Form vieler verschiedener, genetisch unterscheidbarer und damit "einmaliger" Populationen verstanden. Dies ist sehr gefährlich, und kann zu einem "Einheitsbrei" genetisch vielfältiger (gemessen an bestimmten genetischen Merkmalen) aber in ihrer Gesamtheit "einfältiger" Laubfroschvorkommen führen (vgl. Verlust der Biologischen Vielfalt und der Genetischen Diversität).

Im Falle einer möglichen Wiederansiedlung von Laubfröschen müssen unbedingt einige Rahmenbedingungen beachtet werden (z.B. ANL/BFANL 1981, s.a. SCHULTZ & KRONE 2006; vgl. auch Internethandbuch Amphibien - FFH Anhang IV - Arten letzter Punkt unter "Sonstige" "..., Verlust genetischer Eigenständigkeit.").

Die wesentlichen Kriterien sind:

  • die großräumige Wiederherstellung der Lebensräume
  • die Gründe für das Aussterben sind beseitigt
  • eine eigenständige Wiederbesiedlung ist aufgrund fehlender Vernetzung nicht mehr möglich
  • die Entnahmepopulation(en) sollten in der Nähe liegen (nächstgelegene Vorkommen);
    und soweit bekannt, sind ehemalige, aber ausgestorbene vernetzende Vorkommen, zu berücksichtigen
  • es sind keine "Mischpopulationen" zu etablieren (d.h. genetischer Mix verschiedener getrennter und nicht verwandter Populationen); vielmehr sind die verschiedenen eigenständigen (und damit einmaligen) Genpoole zu erhalten, weshalb die Etablierung von Spiegelpopulationen als Zielsetzung festzulegen ist; diese könnten dann auch bei einer Verschlechterung der Situation der Ursprungspopulation durch "Rück-Transfer" von Tieren helfen, diese wieder zu stärken ("restocking" s.u.)
  • die Aussetzung sollte nicht länger als über einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt werden
  • eine Aussetzung sollte nicht der Verwirklichung "eitler, gewinnstrebender menschlicher Ziele" dienen, sondern für den Naturhaushalt erfolgen
  • es ist eine Erfolgskontrolle durchzuführen (Monitoring)
  • es ist sicher zu stellen, dass keine Krankheiten verschleppt werden (z.B. die beiden Chytrid-Pilze Batrachochytrium dendrobatidis und der "Salamanderfresser" Batrachochytrium salamandrivorans).

Im Falle hochgradig bedrohter Restbestände kann eine Bestandsstärkung durch Gefangenschaftsaufzucht (engl. "captive breeding", "restocking") angezeigt sein. Diese Maßnahme beinhaltet die Bestandsstärkung durch eine möglichst verlustfreie Aufzucht von Laubfroschlaich und -larven (-kaulquappen) einer hochgradig gefährdeten Population in Menschenobhut mit anschließender Freisetzung am Entnahmeort. Dies kann zum Erhalt des lokalen Genpools einer Subpopulation beitragen und kurzfristig ein ansonsten zu erwartendes Aussterben verhindern. Hier gilt es aber, begleitend und langfristig den Bestand zu erhöhen und die Lebensräume wiederherzustellen.
Im Idealfall wurden bereits im Vorfeld in gesicherten und geschützten nahegelegenen geeigneten Habitaten Spiegelpopulationen etabliert - im Sinne eines "genetischen Reservoirs".

Solch eine Vorgehensweise bietet sich auch im Falle einer Kooperation mit den Betreibern von Bodenentnahmestellen an (natürlich auch weitere Tier- und Pflanzenarten!). Das heißt, es werden Absprachen und Verträge geschlossen, die dem Betreiber einen weitgehend ungehinderten Abbau ermöglichen, wobei aber die Ansprüche der zu fördernden Arten berücksichtigt werden, so dass diese während des Abbaubetriebes dort überleben und sich entwickeln können. Begleitend ist das "Umland" entsprechend den Ansprüchen der Arten zu entwickeln, so dass diese dort nach Einstellung des Bodenabbaus langfristig überleben und leben können.

Beispiele aus der Region Hannover

Eine genehmigte Wiederansiedlung ist in den "Meerbruchswiesen" am Westrand des Steinhuder Meeres mit Tieren aus verschiedenen Populationen in der Region Hannover erfolgt (allerdings auch mit Genmaterial aus weiter entfernter gelegenen gebietsfremden Populationen, damit ist diese künstliche Hybrid-Population - ohne Entsprechung in der Natur - für den angewandten Artenschutz "wertlos" geworden). Desweiteren sind am Ostrand des Steinhuder Meeres Laubfrösche ausgesetzt worden (das Tiermaterial stammt aus der für den lokalen und regionalen Artenschutz "wertlosen Kunst-Population" Meerbruchswiesen) (vgl. Gefährdungsursachen von Laubfroschvorkommen: Verlust der Biologischen Vielfalt und Genetischen Diversität.

Unter meiner Regie wurde eine Spiegelpopulation der "Burgdorfer Laubfrösche" (Vorkommen: Großer Stern, Burgdorf) in den "Sohrwiesen" am Hämelerwald (ehemaliges Vorkommensgebiet, Lehrte) aufgebaut. Hier ging es allerdings in erster Linie um die Sicherung des Genpools der hochgradig gefährdeten Ursprungspopulation (Spiegelpopulation Sohrwiesen), und nicht um eine "Wiederansiedlung" wie immer wieder vereinfacht und fälschlich geschrieben wird.

Bereits Anfang/Mitte der 1980er Jahre wurde eine ungenehmigte (eigenmächtige) Wiederansiedlung des Laubfrosches am "Benther Berg" (Hannover) vermutlich mit Tieren aus dem Bereich Ahltener Wald (Lehrte) vorgenommen. Durch entsprechende Maßnahmen der Stadt Hannover konnte sich diese Population zahlenmäßig gut entwickeln. Eine Aus- und Verbreitung ist mangels geeigneten Biotopmanagements (Gewässeranlagen, Gewässerverbund) leider nicht möglich, obwohl sehr gute Vernetzungsstrukturen anhand der potenziellen "Sommerlebensrämue", z.B. südexponierte Waldränder, existieren. Entsprechend können "immer wieder mal" abgewanderte Laubfrösche im Bereich des südwestlichen Benther Berges gefunden werden. Etablieren können sich die Tiere dort nicht.

Weiterhin existieren mindestens noch zwei (ungenehmigte = illegale ?) Ansiedlungen (Herkunft der Tiere ?) bei Laatzen an der Leine und zwischen Weetzen und Ronnenberg an der Ihme (Stand: Frühjahr 2017). Aber auch wenn es sich um "behördlich genehmigte" Ansiedlungen handeln sollte, machen diese in den dortigen Räumen wenig bis keinen Sinn und verbrauchen unnötigerweise die ohnehin geringen Ressourcen (Personal, Gelder) im Naturschutz.

Kommentar:
Illegale und eigenmächtige sowie voreilige und konzeptionslose Ansiedlungen von Tier- und Pflanzenarten dienen in der überwiegenden Mehrzahl weder dem Naturschutz, noch dem Artenschutz, geschweige denn dem Naturhaushalt. Im Gegenteil, diese "selbstgefälligen und bastlerischen" Aktivitäten verhindern zumeist die Umsetzung greifbarer und seriöser Konzepte. Und, wie bereits mehrfach erwähnt, es werden unnötig Gelder und Personalmittel gebunden, die an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen gewesen wären.
Wie war das doch: "Erst der Brunnen, dann das Kind und dann der Deckel"? Frei nach diesem Motto - allerdings "umgekehrt" - meinen einige selbsternannte Artenschützer "Fakten schaffen zu müssen": Erst der ausgesetzte Laubfrosch, dann der Hinweis zum Schutz und dann die Gewässer". Soll heißen, es wird etwas "schützenswertes" vor Ort ausgesetzt (angesalbt), um Maßnahmen anzukurbeln. Das ist aber der falsche Weg, und solche unseriösen und abträglichen Methoden werden leider immer wieder von anderen Interessengruppen (von vielen als Gegner des Naturschutzgedankens bezeichnet) angewendet (vgl. das Thema "Aushorstungen von Greifvögeln im Zusammenhang der Errichtung von Windkrafträdern").
Seriöser Natur- und Artenschutz sowie Pragmatismus und Nutzung von Synergien sieht anders aus, auch wenn leider allzuoft "immer nur hinterhergekehrt werden kann", um Schlimmeres zu vermeiden.

Beispiel: Schaffung einer Spiegelpopulation und erfolgreiche Wiederansiedlung am Hämelerwald

Das Projekt Sohrwiesen des HVV

Von Uwe Manzke

Einer der ältesten Naturschutzverbände Deutschlands, der Hannoversche Vogelschutzverein (HVV) und heutige NABU Hannover, betreibt das Projekt Sohrwiesen im Osten von Hannover im Bereich des Hämelerwaldes. Als einer der Hauptinitiatoren dieses Projektes und als Ansprechpartner ist Dieter Wendt zu nennen. Auch dort existierte einst weiträumig eine Laubfroschpopulation, deren Bestände seit den 1970er Jahren immer mehr schrumpften. 2004 konnte dort der letzte Laubfrosch gehört werden.

Das Landesmuseum in Hannover.

Aufgrund des sehr guten Biotopmanagements, unter anderem der Anlage und Pflege von Kleingewässern, aber auch der langfristigen Gewährleistung dieses Naturschutzprojektes, wurde überlegt, dort Laubfrösche wiederanzusiedeln. Mit Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde der Region Hannover wurde Laubfroschlaich aus dem Vorkommen am Großen Stern bei Burgdorf entnommen und in Menschenobhut möglichst verlustfrei aufgezogen. Diese Aufzucht übernahm dankenswerterweise das Vivarium des Landesmuseums Hannover (NLMH).

Bei dieser Wiederansiedlung standen zwei Aspekte im Vordergrund, zum Einen die Wiederansiedlung des Laubfrosches im ehemaligen Vorkommensgebiet und zum Anderen und viel wichtigeren Teil: die Sicherung des (einmaligen) Genpools der verbliebenen Laubfroschpopulation bei Burgdorf. Die Laubfrösche konnten dort mittlerweile nur noch zwei Gewässer erfolgreich zur Reproduktion nutzen und es bestand die Gefahr des Aussterbens auch dieser Population. Durch das Engagement des NABU Burgdorf, Uetze und Lehrte sowie einem günstigen Zufall geht es dem Laubfrosch dort aber heutzutage wieder relativ gut, so dass eine Rückführung von Laubfröschen aus den Sohrwiesen nicht notwendig ist (dennoch ist ein traditionelles Laubfroschgewässer weiterhin sehr stark beeinträchtigt, und dies temporäre Gewässer wird ohne notwendige Maßnahmen bald "verschwunden sein").

Seit 2007 ruft der Laubfrosch wieder in den Sohrwiesen!

Die Aufnahme stammt vom 01.05.2009 aus den Sohrwiesen.

Von 2006 bis 2009 wurden alljährlich Laichballen aus der gefährdeten Laubfroschpopulation bei Burgdorf (s. u.) entnommen und in Gefangenschaftsobhut möglichst verlustfrei bis zum Jungfrosch kurz nach der Metamorphose oder einem späten Larvenstadium aufgezogen. Die Entnahme des Laichs wurde von mir und die Aufzucht der Gelege und Larven durch die Tierpfleger des Landesmuseums Hannover Andreas Scheithauer und Carsten Bödecker durchgeführt.

Warum diese Wiederansiedlung?
Historische - und miteinander vernetzte/ kommunizierende - Vorkommen des Laubfrosches sind von Burgdorf über Immensen - Arpke (nördlich der BAB 2) bis zum Hämelerwald und in den Nachbarkreis Peine belegt. Nur das Vorkommen bei Burgdorf existierte noch in einer +/- lebensfähigen, aber stark gefährdeten Population bis zum Anfang des 2. Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Bis in die 1950er Jahre gab es noch weitere Vorkommen südlich des Mittellandkanals und auch bei Lehrte. Im Bereich des Hämelerwaldes konnten bis vor kurzem noch Einzeltiere des Laubfrosches gefunden werden. Das Erlöschen dieses Vorkommens stand 2005 kurz bevor. Ein Neuaufbau einer lebensfähigen Population mit diesen wenigen Tieren erschien unrealistisch.

20. Juli 2006: Gemeinsam setzen Dieter Wendt vom NABU Hannover ...

... und Andreas Scheithauer vom Niedersächsischen Landesmuseum Hannover ...

... die ersten jungen Laubfrösche in den Sohrwiesen aus.

Die noch lebensfähige "Rest-Population" bei Burgdorf hatte nur in zwei Gewässern einen regelmäßigen Reproduktionserfolg. Aufgrund der sukzessiven, aber stetigen Gewässervernichtung (Verfüllung in kleinen Stücken "Salami-Taktik") eines weiteren historischen ephemeren Laichgewässers bei Grafhorn, war hier die Reproduktion und der Erhalt nicht mehr gewährleistet (trotz Anzeige bei der UNB Region Hannover, wurde keine Wiederherstellung dieses landesweit bedeutenden Gewässers mit ehemals acht laichenden Amphibienarten, in die Wege geleitet, ...). Die Isolierung und die Restriktion auf nur zwei Laichgewässer machte die "Restpopulation Burgdorf" für mögliche natürliche und menschgemachte Katastrophen sehr anfällig. Auch wurde angenommen, dass der Genpool dieser Population nur noch hier existierte (und früher mit den ehemaligen sich südlich anschließenden Vorkommen bis zum Hämelerwald identisch war). Aufgrund der möglichen Gefahr des Aussterbens auch der "Burgdorfer Laubfroschpopulation" wurde daher beschlossen, diese Wiederansiedlung am Hämelerwald durchzuführen. Die Abgrenzung und Einzigartigkeit des Genpools der Burgdorfer Laubfrösche wurde mittlerweile durch enstprechende genetische Untersuchungen bestätigt.

Zwei Ziele wurden verfolgt:

  • Erhalt des lokaltypischen/einmaligen Genpools in einer relativ gesicherten Landschaft in der Nachbarschaft ("Projektgebiet Sohrwiesen") bzw. "im ehemaligen Lebensraum vor Ort", so dass bei einem eventuellen Aussterben der "Burgdorfer Population" geeignete Tiere (Genpool) für eine mögliche (Rück-)Wiederansiedlung - nach der Wiederherstellung notwendiger Lebensräume - zur Verfügung stehen (eine eigenständige Überwindung der A 2 durch den Laubfrosch und andere "nicht fliegende" Tiere ist seit den 1980er Jahren auszuschließen),
  • und zum Anderen
  • die Wiederansiedlung für sich und aus der Durchführung und den Ergebnissen zu lernen.

Umsetzung und Erfolg
In der unten aufgeführten Tabelle sind die Anzahlen der entnommenen Laichballen im Raum Burgdorf, die freigesetzten Individuenzahlen und die daraus resultierenden Anzahlen rufender Männchen sowie die Überprüfung der eigenständigen Reproduktion dargestellt:
Die Überprüfung in den Jahren 2009 und 2010 zeigte, dass sich der Laubfrosch vom Ansiedlungsgewässer aus bereits auch im Umland ausgebreitet hat und weitere Kleingewässer in dem Bereich erfolgreich als Reproduktionsgewässer nutzt.

Nun gilt es, den Bestand weiter zu beobachten und vor allem weitere Kleingewässer wiederherzustellen und neue anzulegen. Im Idealfall können neue Gewässer sowohl im näheren, als auch im weiteren Umland angelegt werden. Dies würde es dem Laubfrosch ermöglichen seine alte Heimat im Bereich des Hämelerwaldes von der BAB 2 im Norden bis zum Mittellandkanal im Süden und im Westen bis nach Lehrte sowie im Osten bis in den Nachbarkreis Peine wieder zu besiedeln.

Danksagung
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, vor allem den Mitgliedern und Helfern des NABU Hannover (HVV) und insbesondere bei den Mitarbeitern des Niedersächsischen Landesmuseum Hannover für die unkomplizierte und fruchtbare Zusammenarbeit, sowie bei der unteren Naturschutzbehörde der Region Hannover.

Tabelle:

 

 

Links zu Ansiedlung von Amphibien:

Wie so oft, "Der Prophet im eigenen Lande, ...", daher möchte ich auf folgende hilfreiche Infos auf den Internetseiten der schweizer karch.ch hinweisen (inkl. Angebot nützlicher PDF):

Videos zum Laubfrosch

Wo ist der Biotopverbund? Seinerzeit von mir gezeichnete Karikatur zum neuen Bundesnaturschutzgesetz Anfang des 21. Jahrhunderts.